Tiere umgeben uns in faszinierender Vielfalt. Mit der Mannigfaltigkeit der äußeren Gestalt geht ein ebensolcher Variantenreichtum der Nervensysteme einher. Es gibt winzig kleine und sehr große Gehirne, äußerst einfache Nervennetze und komplexe Denkorgane, und dies in vielerlei Formen, denn die Evolution hat gleich mehrfach sehr leistungsfähige Gehirne hervorgebracht. Unweigerlich fragen sich viele Menschen: Was geht da drinnen vor? Und: Haben Tiere gar Bewusstsein?
Oder häufiger noch: „ein Bewusstsein“? Tatsächlich scheint es mehrere Bewusstseine zu geben, je nachdem, wie man das philosophische Konzept definiert. Ein Streifzug durch das Tierreich offenbart, dass man alle Arten von Bewusstsein im Tierreich finden kann, oft an ungeahnten Stellen: Schon Einzeller reagieren flexibel auf ihre Umwelt; Spinnen planen raffinierte Raubzüge; Oktopoden träumen (höchstwahrscheinlich); Vögel beachten die Vorlieben ihrer Angebeteten; Fische besitzen ein „Ich-Bewusstsein“; Wespen entpuppen sich als Individuen.
Geistige Fähigkeiten, die wir Menschen noch bis vor kurzem allein uns selbst zugeschrieben haben, sind im Tierreich erstaunlich weit verbreitet. Das ist umso überraschender, als der letzte gemeinsame Vorfahr aller höheren Tiere wahrscheinlich ein Wurm mit Nervennetz und einem Augenfleck war, der vor rund 600 Millionen Jahren lebte. Nützliche geistige Fähigkeiten, so scheint es, schüttelt die Evolution bei Bedarf aus dem Ärmel.
Dr. Konrad Lehmann bezeichnet sich selbst als „Hirnvermittler“, er belehrt sozusagen Gehirne über das Gehirn. Er studierte an der Universität Bielefeld Biologie und wurde mit einer Arbeit als Neurobiologe darüber promoviert, wie frühe traumatische Ereignisse und belastende Umweltbedingungen die Reifung des Gehirns beinträchtigen. Seit 2006 forschte er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena über die Anpassungsfähigkeit und die Lernmechanismen des Gehirns und habilitierte sich dort im Jahr 2011. Seit September 2019 ist er bei GSI/FAIR in der Abteilung Biophysik tätig. Seine Forschung dreht sich im weiten Sinne darum, wie sich das Gehirn von Säugetieren an unterschiedliche Umweltbedingungen anpasst. Mit modernsten bildgebenden und anatomischen Methoden untersucht er Einflüsse wie das soziale Umfeld, reizreiche Umgebungen oder das Alter. Neben einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen hat er zur Thematik bereits mehrere Bücher verfasst. Zuletzt erschienen ist im Springer-Verlag: „Das Bewusstsein der Tiere“.
Fotos: F. J. Risse; privat